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AutorenbildNina Payer

Früher fand ich Entspannungsübungen doof. Heute bin ich Kursleiterin für PMR.

Gestresst habe ich mich gefühlt, seit ich denken kann. Immer innerlich unruhig, nervös, angespannt und jede Kleinigkeit, die noch obendrauf kam, brachte das Fass schnell zum Überlaufen. In meinen frühen Zwanzigern, als ich anfing, als Fremdsprachensekretärin in internationalen Wirtschaftskanzleien in Frankfurt zu arbeiten, wusste ich noch nichts von meiner Hochsensibilität und die damalige Lebensgestaltung hat meinem Wesen so gar nicht entsprochen. Und dann wurde ich auch noch zweimal Mama und der Stresspegel stieg weiter.

 

"Du musst dich mal entspannen!" hieß es dann ganz oft. Ja, wie denn? Ich versuchte es mit einem Kurs in autogenem Training, später folgte ein Achtsamkeitskurs. Ich versuchte zu Hause Yoga zu machen und zu meditieren. Hörte mir Fantasiereisen auf YouTube an - aber irgendwie war das alles nichts für mich!

 

Ich habe mich während den Übungen nur gelangweilt und geholfen hat es auch nicht! Schon allein der Gedanke daran, stillzusitzen und mich auf meinen Atem zu konzentrieren, löste bei mir Unruhe und Widerstand aus. Im besten Fall schweiften meine Gedanken einfach nur ab - zu meiner To-Do Liste oder der Planung des morgigen Mittagessens. Meistens hat es mich nur unglaublich genervt und kam mir wie eine reine Zeitverschwendung vor.

 

Heute weiß ich, dass ich damals schon ein chronisch dysreguliertes Nervensystem hatte und damit war ich nicht in der Lage, bei solchen Übungen wirklich zur Ruhe zu kommen. Mein Nervensystem war ständig in Alarmbereitschaft und jede Form der Entspannung fühlte sich unbekannt und damit potenziell gefährlich an. Also lies mein hyperaktives Nervensystem das gar nicht erst zu.



Wie sich dann alles änderte. Mein Weg zur Progressiven Muskelentspannung (PMR)

 

In den folgenden Jahren veränderte sich ganz viel. Ich entdeckte das Konzept der Hochsensibilität und begann aktiv mit meinem Nervensystem zu arbeiten. Und ich lernte ganz viel dazu und stellte fest, dass meine Unfähigkeit zur Ruhe zu kommen, gar nicht selten ist. Im Gegenteil!

 

Nach einer Reha wegen Rückenproblemen wurde mir anschließend während meines I-ReNa Programms progressive Muskelentspannung (PMR) verordnet. Mein erster Gedanke war "Nee, will ich nicht!", aber es gab kein Entkommen. Diesmal langweilte ich mich allerdings nicht ganz so sehr (ich war ja beschäftigt mit Anspannen und Entspannen meiner Muskeln) und bemerkte anschließend doch eine Veränderung.


Trotzdem dauerte es noch fast zwei Jahre, bis ich verstanden habe, warum mir diese Art der Entspannung offensichtlich besser liegt.

 

Wie funktioniert PMR?

 

PMR wurde von Edmund Jacobson in den 1920er Jahren entwickelt, basierend auf der Idee, dass körperliche Entspannung zu mentaler Ruhe führt. Dabei werden gezielt verschiedene Muskelgruppen angespannt und anschließend entspannt, um einen Zustand tiefer Entspannung zu erreichen.

 

Der besondere Vorteil von PMR liegt darin, dass es aktiver und strukturierter ist als viele andere Entspannungsmethoden. Für jemanden wie mich, die Schwierigkeiten hatte, passiv zu entspannen, bietet PMR eine klare Anleitung und einen greifbaren Prozess. Es brauchte nicht nur eine mentale Übung, sondern eine körperliche, die meinem überreizten Nervensystem hilft, langsam herunterzufahren.

 

Warum PMR bei körperlichem Stress hilft

 

PMR eignet sich besonders gut, um körperlichen Stress (innere Unruhe, Nervosität, Anspannung) abzubauen. Durch die bewusste Anspannung und anschließende Entspannung der Muskulatur wird ein tiefer Zustand der Ruhe erreicht. Dies hilft, die körperlichen Symptome von Stress – wie Muskelverspannungen, Kopfschmerzen und innere Unruhe – effektiv zu lindern. Durch die körperliche Aktivität wird zudem das Stresshormon Cortisol abgebaut.

 

Während der Praxis von PMR lernt dein Nervensystem durch die aktive Arbeit mit dem Körper, zwischen Anspannung und Entspannung zu unterscheiden und es wird deinem Körper dadurch erleichtert, nach der verstärkten Anspannung in die Entspannung zu gehen.

 

Gerade für Menschen mit einem chronisch dysregulierten Nervensystem ist PMR daher die perfekte Entspannungsübung!

 

Die Grenzen von Entspannungsübungen

 

Auch wenn PMR und andere Entspannungsübungen wertvolle Werkzeuge sind, um momentanen Stress abzubauen, ist es wichtig zu verstehen, dass sie allein den Stress nicht langfristig aus deinem Leben tilgen können. Sie wirken kurzfristig und sind wunderbar, um akute Spannungen zu lösen, doch für eine dauerhafte Entlastung bedarf es mehr.

 

Um wirklich langfristige Entspannung ins Leben zu bringen, müssen wir uns unseren Alltag und unsere Lebensgewohnheiten genauer anschauen. Es geht darum, unsere täglichen Routinen zu verändern und Anpassungen vorzunehmen, die unseren wahren Bedürfnissen und Grenzen entsprechen. Hier sind einige Schritte, die dabei helfen können:

 

  • Selbstreflexion: Nimm dir regelmäßig Zeit, um deine Bedürfnisse und Grenzen zu reflektieren. Was sind die Hauptquellen deines Stresses? Was benötigen du wirklich, um dich wohl und sicher zu fühlen?

 

  • Grenzen setzen: Lerne „Nein“ zu sagen und deine Grenzen zu respektieren. Übernimm nicht mehr Aufgaben, als du bewältigen kannst, und gönn dir regelmäßige Pausen.

 

  • Gesunde Gewohnheiten entwickeln: Integriere regelmäßige Bewegung, eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Schlaf in deinen Alltag. Diese Faktoren haben einen großen Einfluss auf unser Nervensystem und unser allgemeines Wohlbefinden.

 

  • Soziale Unterstützung: Pflege deine sozialen Beziehungen und suche dir Unterstützung bei Freunden, Familie oder einem Coach. Ein starkes Netzwerk kann dir helfen, Stress zu bewältigen und bietet emotionale Unterstützung.

 

  • Achtsamkeit und Selbstfürsorge: Praktiziere regelmäßig Achtsamkeit und Selbstfürsorge. Kleine tägliche Rituale können helfen, sich zu zentrieren und die Verbindung zu sich selbst zu stärken. Lerne dein Nervensystem zu lesen, damit du immer seltener in großen Stress und Überforderung kommst.

 

Entspannungsübungen wie die Progressive Muskelentspannung sind großartige Werkzeuge, um momentanen Stress abzubauen und das Nervensystem zu beruhigen. Doch um wirklich langfristig Ruhe und Entspannung in unser Leben zu bringen, müssen wir unseren Alltag aktiv gestalten und anpassen. Es geht darum, unsere wahren Bedürfnisse zu erkennen, gesunde Grenzen zu setzen und unser Leben so zu gestalten, dass es uns wirklich guttut. Langfristig!

 

Heute leite ich selbst PMR an, und ich sehe es als meine Aufgabe, Frauen dabei zu unterstützen, diese wertvolle Technik zu erlernen und gleichzeitig die notwendigen Veränderungen im Alltag vorzunehmen, um ein nachhaltig entspannteres und erfüllteres Leben zu führen.



 

 

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Guest
Jun 19
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Liebe Nina,

in deiner Schilderung deiner früheren Unruhe und Abneigung gegenüber Entspannungsübungen erkenne ich mich sehr gut wieder. Nicht mehr jetzt, sondern in meinen 30igern, 40igern - in einer Phase, die in nahezu allen Lebensbereichen ausgesprochen herausfordernd war. Ich kann mich sehr gut an die Abneigung erinnern, an die Langeweile dabei, die innere Anspannung ...

Tiefenentspannt bin ich immer noch nicht, aber ich bin inzwischen wesentlich ruhiger geworden und offener gegenüber Techniken, die noch vor einigen Jahren undenkbar für mich waren. Jetzt will ich mal Meditation ausprobieren. Ich habe dazu schon einen Blogartikel bei dir entdeckt, den schaue ich mir auf jeden Fall an.

Liebe Grüße

Astrid

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