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Ursachen für ein dysreguliertes Nervensystem

Aktualisiert: 11. Juli 2023

Dysregulation, Überreizung, Burnout - all diese Dinge scheinen ein Phänomen unserer Zeit zu sein. Dabei war das Leben vor 200 Jahren doch eigentlich viel härter als heute, oder?! Wir leben heute in einer Zeit von Wohlstand, Fortschritt und Digitalisierung und man könnte meinen, das mache das Leben doch eigentlich viel leichter und angenehmer.


Das Problem ist, obwohl unser Gehirn heute noch genauso funktioniert, wie das Gehirn eines Steinzeitmenschen, muss es so viele Reize mehr verarbeiten. Schauen wir uns nur einmal einen typischen Großstädter an, der am Tag mehr Menschen begegnet, als ein Steinzeitmensch im ganzen Leben. Zudem wird es in Großstädten nie richtig dunkel, es ist nie absolut still. Nicht zu vergessen, die Digitalisierung. Den ganzen Tag sind wir mit Informationen und Nachrichten konfrontiert. Es kommen zig E-Mails rein, die wir bearbeiten müssen. Vor noch Hundert Jahren gab es Tageszeitungen und Kommunikation lief extrem langsam über Telegramm oder Briefe ab.


Die ständige Überreizung und ein dysreguliertes Nervensystem sind dabei nicht mehr nur ein Thema für hochsensible Menschen, sondern für uns alle.


Folgende Gründe für ein dysreguliertes Nervensystem wollen wir uns nun einmal näher anschauen


1. Zu viel Arbeit oder die falsche Arbeit


Arbeit tut uns gut, aber nur unter den richtigen Umständen. Wir dürfen uns durchaus körperlich und geistig anstrengen und wir mögen es auch, wenn unser Können und Wissen gefordert wird. Allerdings müssen unsere Aufgaben lösbar sein, damit wir uns nach getaner Arbeit zufrieden und gut fühlen. Solche Tätigkeiten werden in unserer Zeit leider immer seltener. Selbst Berufe, die wir aus einer inneren Berufung heraus wählen, unterliegen immer mehr wirtschaftlichen Zwängen. Es gibt für den Einzelnen immer mehr zu tun - was oft in der regulären Arbeitszeit kaum zu schaffen ist.


Wir haben das Gefühl, in einem Hamsterrad festzustecken. Auch Homeoffice und die modernen Kommunikationsmittel erschweren immer mehr die deutliche Abgrenzung von Arbeit und Freizeit und somit das Umschalten in den Zustand der Entspannung. Ständige Erreichbarkeit hält unser Nervensystem in einem ununterbrochen Alarmzustand. So kann sich kein Sicherheitsgefühl einstellen.


Wenn wir dann noch einer Arbeit nachgehen müssen, mit der wir uns kaum identifizieren können, die uns nicht interessiert, langweilt oder sogar unseren Wertvorstellungen widerspricht, tut uns das überhaupt nicht gut.


2. Zu viele Konflikte


Bei vielen Menschen führt allein der Weg zur Arbeit schon zu einer Aktivierung des Nervensystems. Auch am Arbeitsplatz sind Konflikte an der Tagesordnung. Zeitdruck, viele Menschen auf kleinem Raum, verschiedene Charaktere. Dazu kommen noch Revierverhalten und der Kampf um die Rangordnung (beides findet im Arbeitsleben, wenn auch teilweise nur unterschwellig, ständig statt). All diese Stress-Reize können wir natürlich nicht körperlich ausleben, was den inneren Druck nur noch erhöht.


Noch problematischer wirken sich aber Konflikte im privaten Bereich auf das Nervensystem aus. Das Privatleben sollte eine Ressource und Erholung vom anstrengenden Arbeitsalltag darstellen. Fällt das durch Konflikte mit dem Partner, Probleme mit den Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen weg, besteht gar keine Erholungsmöglichkeit mehr.



3. Zu wenig Nähe


Durch das zugewandte Zusammensein mit anderen Menschen, den Austausch über alles Erlebte und die Verbindung mit Menschen, die wir gernhaben oder auch durch eine liebevolle Berührung wird unser ventraler Parasympathikus (Zustand der Sicherheit und Erholung) am stärksten natürlich aktiviert. Man nennt diese Art der Nervensystemregulierung auch Co-Regulierung.


Wir schlafen zum Beispiel auch viel besser und ruhiger, wenn ein vertrauter Mensch im Haus ist. Allein jemandem abends von einem stressigen Tag erzählen zu können, nimmt uns schon einen Teil des alltäglichen Stresses.


Gleichzeitig gibt es immer mehr Singles und auch ganz allgemein leben immer mehr Menschen allein und müssen sich umso stärker um einen Ausgleich zum anstrengenden Alltag bemühen. Die altbewährte Großfamilie hat ausgedient. Das sprichwörtliche Dorf, das es braucht, um ein Kind großzuziehen, gibt es auch nicht mehr. Co-Regulierung kann nur noch selten stattfinden.



4. Ständige Anpassung


Unter all den Erwartungen und Vorstellungen, wie wir heutzutage zu sein haben, geht unser wahres Ich komplett unter. Wir tun ständig Dinge, die wir eigentlich gar nicht wollen. Schlucken jeglichen Unmut runter und sagen nur selten mal wirklich unsere Meinung. Es wird erwartet, dass wir funktionieren und uns anpassen. Welche Entscheidungen treffen wir wirklich bewusst? Wie oft unterdrücken wir dagegen unsere Gefühle?! Das Gefühl, gerade nicht so sein oder entscheiden zu dürfen, wie wir sind, weil wir sonst Konflikte provozieren oder jemanden auf die Füße treten könnten, begleitet uns schon bei Kleinigkeiten im Alltag.

Je öfter wir uns hier anpassen, desto mehr dysregulieren wir unser Nervensystem und irgendwann genügt dann schon der kleinste Tropfen und das Fass läuft über. Es ist wichtig, hier ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wo wir eher den leichten Weg gehen, anstatt für uns und unser wahres Ich einzutreten.



5. Dauererreichbarkeit


Wenn wir ehrlich sind, können wir uns ein Leben ohne Smartphone kaum noch vorstellen. Das Internet mit seiner unendlichen Informationsflut ist nur ein Klick - teilweise sogar nur noch einen Sprachbefehl - entfernt. Wir sind mittlerweile schon darauf konditioniert, unser Smartphone ständig zu checken, damit uns bloß keine Nachricht oder Neuigkeit entgeht. Privat wie beruflich sind wir immer erreichbar. Selbst abends nach Feierabend oder im Urlaub.

Neben dem Druck, ständig erreichbar sein zu müssen oder zu wollen, löst gerade Social Media aus, dass wir uns ständig mit anderen vergleichen. Wir streben nach Dingen von denen wir denken, wir bräuchten/ wollen das auch alles und doch kommen wir dabei gefühlt immer schlechter weg, als andere.



6. Multitasking


Früher galt Multitasking als etwas Erstrebenswertes. Doch heute wissen wir, dass das Gehirn sich nicht parallel auf zwei Dinge gleichzeitig konzentrieren kann, sondern in Wirklichkeit immer zwischen den Aktivitäten hin und her switcht. Das kostet nicht nur sehr viel Energie, man macht auch Fehler und schafft nichts richtig.


Auch hier spielt wieder digitale Fortschritt und der allgemeine Leistungsdruck unserer Gesellschaft mit rein. Trotz voranschreitender Digitalisierung machen wir heute im Beruf nicht selten den Job von zwei oder mehr Mitarbeitern. Was liegen bleibt, sammelt sich im besten Fall zu immer größeren und erdrückender werdenden Haufen an, im schlimmsten Fall - bei der Arbeit am Menschen - können diese nicht mehr ausreichend versorgt werden. Hier entsteht ein extrem belastender Kreislauf.



7. Unausgewogene Ernährung


Da der Darm eine direkte Verbindung über den Vagusnerv zum Nervensystem hat, spielt auch die Ernährung eine große Rolle. Längerfristige schlechte Ernährung bringt deinen Darm und das Nervensystem aus der Balance.


Hier ist es wichtig, sich wieder bewusster zu werden, wie, wann und was man isst. Sich die Zeit zu nehmen, wieder ein Gefühl für Hunger und Sättigung zu bekommen. Da Essen eine einfach verfügbare Regulationsmöglichkeit darstellt, greifen wir auch oft zur schnellen Tiefkühlpizza um uns nach einem langen, anstrengenden Tag zu beruhigen. Hier steckt oft ein ganz anderes Bedürfnis dahinter, als körperlicher Hunger. Es lohnt sich, sich dessen bewusst zu werden und in sich reinzuspüren, welches Bedürfnis wir eigentlich gerade wirklich haben.



8. Missachtung der physiologischen Bedürfnisse


Und hier kommen wir zu einem wirklich unterschätzten Thema! Viele physiologische Bedürfnisse wurden uns bereits als Kinder abtrainiert. Äußere Autoritäten sagten uns, wann wir essen, trinken, schlafen und auf Toilette gehen dürfen.


Das Problem ist nur, dass wenn wir diesen körperlichen Bedürfnissen nicht umgehend nachgehen, unser Nervensystem davon ausgeht, dass wir uns in Gefahr befinden, sonst würden wir ja essen und trinken etc. Daher fährt es die Energie runter um uns möglichst lange überleben zu lassen, oder versetzt uns in einen Kampf- und Fluchtmodus. Wir sind dann gereizt und wütend. Dieses Überlebensprogramm läuft im Alltag dann die ganze Zeit im Hintergrund ab und zieht uns unglaublich viel Energie.


 

Findest du dich in einem oder mehreren dieser Punkte wieder? War dir das bewusst?


Umso wichtiger ist es, für sich einen Weg zu finden, das eigene Nervensystem wieder regulieren zu lernen. Es fängt damit an, sich wieder mit sich selbst und dem eigenen Körper zu verbinden und wahrzunehmen, welche Bedürfnisse gerade bestehen und wo eine persönliche Grenze verläuft. Willst du mehr darüber erfahren, wie das funktioniert, dann klicke hier.





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