Neurodivergente Bedürfnisse im Alltag: Warum du Pausen anders brauchst.
- Nina Payer
- vor 2 Tagen
- 3 Min. Lesezeit
„Ich habe doch eine Pause gemacht – warum bin ich trotzdem erschöpft?“ „Andere tanken beim Spazierengehen Kraft – ich bin danach oft noch überdrehter.“ „Ich gönn mir Netflix zum Runterkommen, aber danach bin ich gereizter als vorher.“
Wenn du solche Gedanken kennst, gehörst du vielleicht zu den vielen neurodivergenten Frauen, für die klassische Pausen nicht funktionieren – oder sogar gegenteilig wirken.
Und nein: Das heißt nicht, dass du „falsch“ bist. Es heißt nur, dass dein System anders funktioniert. Und dass du andere Erholungsstrategien brauchst, nicht mehr Disziplin.

Du bist nicht faul. Dein System ist überfordert.
Viele Frauen mit ADHS, Hochsensibilität oder anderen neurodivergenten Merkmalen haben ein hochaktives Nervensystem:
→ Es nimmt mehr Reize auf.
→ Es reagiert schneller auf Veränderungen.
→ Es bleibt länger in Aktivierung, selbst in der Pause.
Was bei anderen Menschen für Entspannung sorgt, reicht bei dir oft nicht aus. Oder wirkt sogar stimulierend statt beruhigend.
Das führt zu einem tief sitzenden inneren Konflikt:
Du nimmst dir eine Pause – fühlst dich aber danach nicht erholt.
Du denkst, du hast dich „nicht genug angestrengt“, um runterzukommen.
Du zweifelst an dir – und suchst den Fehler bei dir selbst.
Ein fataler Irrtum. Denn dein Körper macht nichts falsch. Er folgt nur anderen Regeln.
Nicht jede Pause ist auch eine Regulation
Die meisten Menschen denken bei „Pause“ an Kaffee trinken, einen Spaziergang machen, Social Media checken, Netflix schauen oder vielleicht mit Kerzenlicht in der Badewanne entspannen.
Aber viele dieser Tätigkeiten wirken auf neurodivergente Systeme stimulierend, reizverstärkend oder völlig ineffektiv.
Besonders ADHS-Systeme haben Schwierigkeiten mit Übergängen, mit dem Umschalten von Aktivität auf Erholung. Der berühmte "Off-Schalter" fehlt.
Ergebnis: Du brauchst viel länger, um wirklich „runterzukommen“. Und wenn du Pech hast, ist deine Pause vorbei, bevor dein Nervensystem überhaupt verstanden hat, dass es entspannen darf.
Du brauchst Pausen, die wirklich dein System erreichen
Wenn du neurodivergent bist, darfst du lernen, deine Pause nicht nach außen, sondern nach Wirkung zu beurteilen. Also: Wirkt diese Pause regulierend oder nicht?
Das erfordert etwas Achtsamkeit und ein paar realistische Fragen:
Fühle ich mich danach klarer oder diffuser?
Bin ich ruhiger oder angespannter?
Habe ich mich verbunden oder betäubt?
Vielleicht ist deine „Pause“ eher eine Ablenkung, aber keine Regulation. Vielleicht ist deine „Auszeit“ eigentlich eine heimliche Reizflut. Und vielleicht ist es deshalb nicht dein Versagen, wenn du dich danach nicht besser, sondern noch ausgelaugter fühlst.
Wie Pausen für dich aussehen können
Was also tun? Hier ein paar Anregungen, die sich für viele meiner Klientinnen (und mich selbst) bewährt haben:
💫 Mikropausen statt langer Blöcke
Nicht 1 Stunde Ruhe am Abend, sondern 5 Minuten zwischendurch mit ganz bei dir sein. Augen schließen, nur atmen. Körper spüren. Ohne Ziel. Ohne Input.
💫 Reizsteuerung bewusst einsetzen
Für manche wirkt Musik regulierend, andere brauchen absolute Ruhe.
Noise-Cancelling-Kopfhörer, Augen schließen, Kaugummi kauen - das sind alles co-regulative Hilfen.
💫 Monotone Bewegung
Kein Powerwalk. Kein Training. Sondern sanftes Schaukeln, langsames Gehen, Pendeln.
Bewegung hilft, Stress abzubauen, aber nur, wenn sie rhythmisch und sicher ist.
💫 Immer wieder dasselbe
Neurodivergente Systeme lieben Wiederholung, sie gibt Sicherheit. Feste Rituale, immer derselbe Tee, dieselbe Playlist, dieselbe Reihenfolge. Was „langweilig“ wirkt, ist oft genau das, was dein Körper braucht: Vorhersagbarkeit und Sicherheit.
Warum Pausen dich nicht „leistungsfähiger“ machen müssen
Viele suchen nach der perfekten Pause, um danach wieder „funktionieren“ zu können. Aber das ist immer noch Leistungslogik.
Du darfst eine Pause machen, ohne danach etwas leisten zu müssen.
Du darfst dich auch dann regulieren, wenn nichts Dringendes ansteht.
Du darfst deiner inneren Stimme glauben, wenn sie sagt: Es ist gerade zu viel.
Dein Nervensystem will dir nichts verbauen – es will dich schützen.
Wenn du das Gefühl hast, dein Alltag „erschlägt“ dich schneller als andere, dann stimmt das vermutlich. Du nimmst einfach mehr wahr. Du verarbeitest tiefer. Du kompensierst dauernd. Und genau deshalb darfst du dich nicht an der Norm orientieren.
Sondern an dir. Deinem Körper. Deiner Reaktion.
Du bist nicht zu sensibel. Du brauchst andere Pausen. Und du darfst sie dir nehmen – auch ohne sie erklären zu müssen.
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